8 Written explanations of Petra KAMMEREVERT
Direction of EU-Russia political relations (A9-0259/2021 - Andrius Kubilius)
Ganz im Sinne der Ostpolitik Willy Brandts setzt sich die Europa-SPD für einen konstruktiven Dialog mit der russischen Zivilbevölkerung und der Regierung ein. Dabei müssen auch bestehende Probleme in den Beziehungen zwischen der EU und Russland sowie gravierende Menschenrechtsverletzungen durch die russische Regierung deutlich benannt werden. Ein konfrontativer Umgang und einseitige Verurteilungen werden die Beziehungen mit und die Lage in Russland nicht verbessern. Weiterhin lehnt die Europa-SPD jegliche Maßnahmen gegenüber Russland ab, die die Gefahr einer militärischen Eskalation erhöhen.Auch wenn im vorliegenden Bericht viele wichtige Probleme in Russland aufgeführt werden und es klaren Handlungsbedarf gibt, folgt der Bericht leider nicht der Logik einer sozialdemokratischen Entspannungspolitik, sondern einer konfrontativen Logik. Daher stimmen die SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament nicht für diesen Bericht.
Combating gender-based violence: cyberviolence (A9-0338/2021 - Elissavet Vozemberg-Vrionidi, Sylwia Spurek)
Der Bericht ist in seiner Gänze zu unterstützen und enthält eine Vielzahl wichtiger Empfehlungen an die Kommission im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt im Internet. Die Verpflichtung von Online-Plattformen unter Empfehlung 3 des Berichts, die Identität ihrer Nutzerinnen und Nutzer per Email und Handynummer zu überprüfen, lehne ich grundsätzlich ab, da sie das Recht auf Anonymität im Internet infrage stellt.Denn sensible persönliche Daten sind bei Online-Plattformen nicht sicher aufgehoben und ein Ende der Anonymität stellt insbesondere für Menschen, die von der Erstellung legaler pornografischer Inhalte leben, eine reale Bedrohung dar. Ich kann das Ziel, Menschen, insbesondere Frauen, vor der unwissentlichen Veröffentlichung pornografischer Bilder zu schützen nachvollziehen, halte aber den Ansatz, der hier gewählt wird, für falsch.
Digital Markets Act (A9-0332/2021 - Andreas Schwab)
Der Digital Markets Act ist unbestritten ein wichtiger Schritt in der europäischen Gesetzgebung um die Marktmacht global agierender Gatekeeper im Sinne eines fairen Wettbewerbs angemessen zu begrenzen. Jedoch gelingt es bisweilen weder dem Kommissionsvorschlag noch dem hier abzustimmenden Bericht, das Zusammenspiel der Verordnung mit bestehenden und künftigen sektorspezifischen Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene, die sich ebenfalls mit zentralen Plattformdiensten befassen, hinreichend klar zu regeln. Eine solche Klarstellung wäre vor allem medienrechtlich notwendig um zudem die jeweils nationalen Zuständigkeiten in Fragen der Medienregulierung und Medienaufsicht nicht in Frage zu stellen.Der Digital Markets Act muss umfassend anerkennen, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, darüber zu entscheiden, wie sie ein angemessenes Schutzniveau für die Erreichung ihrer kultur-, einschließlich medienvielfaltspolitischen Ziele unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten bestimmen und mit welchen Instrumenten sie dieses Schutzniveau erreichen wollen. Eine solche, meines Erachtens unverzichtbare Zusicherung fehlt bislang jedoch im Artikeltext. Darüber hinaus wäre klarzustellen, dass es Mitgliedstaaten unbenommen sei, auf Plattformen, die nicht die Schwellenwerte gemäß Artikel 3 erreichen, im Sinne des Medienpluralismus einwirken zu dürfen.Schließlich ist zu bemängeln, dass es weiterhin ausschließlich der Kommission obliegt, Marktuntersuchungen einzuleiten; dieses Recht sollte unter bestimmten Voraussetzungen auch Dritten zugestanden werden.
Digital Services Act (A9-0356/2021 - Christel Schaldemose)
Der Digital Services Act wird die Möglichkeiten momentan bestehender Praktiken einschränken und diverse Schlupflöscher für große Online-Plattformen schließen. Plattformen werden zukünftig u. a. die Verantwortung für ihre Algorithmen übernehmen müssen und weitreichenden Transparenzpflichten unterliegen.Die Position des Europäischen Parlaments zum DSA ist allerdings aus medien-, kultur- und vielfaltssichernder Perspektive höchst problematisch. Nicht nur wird das bestehende Problem verfestigt, dass es nach wie vor private und gewinnorientiere Online-Plattformen bleiben, die nach ihren AGBs entscheiden, welche professionell erstellten Medien- und Presseinhalte online bleiben. Damit nehmen sie Einfluss auf unseren demokratischen Diskurs in Europa. Sie üben eine zweite Kontrolle über professionell erstellte journalistische Inhalte aus, die bereits einer vielfältigen medienrechtlichen Regulierung auf europäischer oder nationalstaatlicher Ebene unterliegen. Das ist mit einem liberalen Verständnis der Medienfreiheit und Vielfaltssicherung unvereinbar.Zudem bleibt die Abgrenzung zu anderen EU-Rechtsakten – wie etwa der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste – ungeklärt und eine Klarstellung über fortbestehende mitgliedstaatliche Kompetenzen, zur Vielfaltssicherung in den Bereichen Medien und Kultur fehlt.Es sind Kernfragen unseres demokratischen Zusammenlebens in Europa, wenn es darum geht, wer über die Präsenz professionell erstellter journalistischer Inhalte entscheidet oder welche Maßnahmen für die Sicherung von Vielfalt auch im Internet möglich bleiben. Sollte sich der Text im Rahmen des kommenden Gesetzgebungsprozesses nicht mehr verbessern würde der DSA in diesen Fragen mehr Schaden als Nutzen anrichten.Aus diesen Gründen konnte ich dem Digital Services Act in seiner jetzigen Form nicht zustimmen.
Role of culture, education, media and sport in the fight against racism (A9-0027/2022 - Salima Yenbou)
Der Bericht ist durchaus gelungen und ich unterstütze ihn ausdrücklich und vorbehaltlos in seiner Zielsetzung als auch hinsichtlich der meisten darin vorgeschlagenen Maßnahmen. Der in den Punkten 58 und 59 geforderte Einsatz künstlicher Intelligenz und von Algorithmen zwecks Inhalte-Filterung mit dem Ziel, Hassrede und Desinformation einzudämmen, halte ich für nicht zielführend, mit meinem Gewissen nicht vereinbar und letztlich auch für gefährlich. Es findet in beiden Punkten keine klare Abgrenzung statt, inwieweit von illegalen oder von legalen aber schädlichen Inhalten in Bezug auf Hassrede und Desinformation die Rede ist. Darüber hinaus ist der hier vorgeschlagene, sehr weitgehende Eingriff in die verfassungsmäßig verbriefte Grundfreiheit der Meinungsäußerung mit keinerlei rechtsstaatlichen Vorbehalten oder Schutzmechanismen versehen. Die Freiheit der Rede und Meinung kann und muss manchmal eine Zumutung sein. Sie verlangt von uns, auch solche Meinungen und „Moralitäten“ gelten zu lassen, die womöglich der eigenen Werteskala widersprechen. Dabei darf eine freiheitliche und liberale Grundhaltung sicher nicht zu Ignoranz führen. Wir müssen jeder gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit klar widersprechen und aktiv entgegentreten. Dazu muss ich das Auftreten des Phänomens bei anderen aber klar erkennen und benennen können – auch online. In einem derart auf Kontext angewiesenen, sensiblen Bereich Meinungsäußerungen anderer algorithmen- und/oder KI-basiert letztlich zu kontrollieren, trägt die Gefahr in sich, die Bandbreite der tatsächlich öffentlich geäußerten Meinungen derart zu verzerren oder zu verengen, dass eine notwendige öffentliche Auseinandersetzung mit kritikwürdigen und abzulehnenden Äußerungen gar nicht mehr möglich wäre, da wir sie als potenzielle Rezipienten gar nicht mehr sehen würden. Nur weil wir etwas nicht sehen, weil wir also technologisch in der Lage sind „die Augen zuzudrücken“, heißt dies aber nicht, dass es nicht vorhanden ist und einer Auseinandersetzung bedarf – die dann aber nicht mehr stattfindet. Selbst unterstellt, die Vorschläge wären gut gemeint, sind sie im Kampf gegen Rassismus letztlich kontraproduktiv und meines Erachtens derart gefährlich, dass ich dem Bericht in Gänze nicht zustimmen kann und mich deshalb enthalte.
Digital Services Act (A9-0356/2021 - Christel Schaldemose)
Der Digital Services Act hat Licht- und Schattenseiten. Große Online-Plattformen werden in die Verantwortung genommen und Schlupflöcher auf Marktplätzen beseitigt. Für Dark Patterns - also die Täuschung von Nutzern in die Zustimmung für Cookies - sowie die Offenlegung von Algorithmen wurden gute Lösungen gefunden.Andererseits wird der DSA dem erklärten Anspruch, ein digitales Grundgesetz zu schaffen, nicht gerecht. Es wird zunehmend großen Online-Plattformen überlassen, Grenzen der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit zu definieren. Gewinnorientierten Plattformen wird gestattet, eine zweite Kontrolle über professionell erstellte journalistische Inhalte durchzuführen, die bereits vielfältiger medienrechtlicher Regulierung unterliegen. Neue Rechte für die Kommission im Bereich der Inhaltekontrolle gehen unter dem Gesichtspunkt der Staatsferne entschieden zu weit. Funktionierende Verfahren für Medien und Presse werden übergangen und die Abgrenzung zu Gesetzgebung wie der AVMD-Richtlinie und vielfaltssichernden Regeln für Medien und Kultur ist weitestgehend ungeklärt. Medienfreiheit droht so ausgehöhlt zu werden.Ein digitales Grundgesetz müsste Grundrechte im digitalen konsequent absichern - und nicht die Verantwortung über den Schutz unserer Grundfreiheiten im Digitalen Privatunternehmen überlassen. Es müsste Meinungsfreiheit und Medienfreiheit als höchste Güter unserer Demokratie entsprechend schützen.Das tut der DSA meiner Meinung nach nicht und verschlechtert den Status quo in einigen Fragen erheblich, deshalb habe ich gegen das Trilogergebnis gestimmt.
European historical consciousness (A9-0402/2023 - Sabine Verheyen)
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben dem heutigen Bericht zum Europäischen Geschichtsbewusstsein zugestimmt, weil er inhaltlich richtig ist. Nichtsdestotrotz hätten wir uns im Zusammenhang mit der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus einen differenzierteren Umgang gewünscht, anstatt ihn neben „kommunistischen totalitären Regimen“ und dem Kolonialismus zu platzieren. Wir sind davon überzeugt, dass der Nationalsozialismus direkt zum Holocaust und zum millionenfachen Mord im industriellen Ausmaß führte, der beispiellos war und sich nie wiederholen darf. NS-Verbrechen dürfen durch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Kommunismus oder Stalinismus nicht relativiert werden.
European Media Freedom Act (A9-0264/2023 - Sabine Verheyen)